Eingeflogen bin ich über Hilo. Noch so eine kleine Hippie-Enklave. Das Hostel, welches ich mir ausgesucht hatte, war eher so semi. Das Zimmer ging noch, allerdings machte man sich offensichtlich wenig Mühe beim Putzen. Die Staubschicht unter den Betten war mehr als grenzwertig. Richtig abartig war aber die 'Küche' oder das, was sie so nannten. Eigentlich ist dieses Haus wohl mal ein Bürogebäude gewesen. Der Gemeinschaftsraum und Küche waren ein riesiger Raum. In dem standen zwei Couchen, auf denen die Angestellte des Hostels nachts auch schlief. Ausserdem gab es einen großen Tisch und eine Mikrowelle. Erst am zweiten Tag bemerkte ich den großen schwarzen Fleck an der Decke. Der erklärte vielleicht auch den komischen feuchten Geruch in dem Raum... Ich habe meine Lebensmittel danach auf jeden Fall doch mit ins Zimmer genommen und auf meinem Bett deponiert.
Nachdem ich vormittags eingecheckt hatte, machte ich mich direkt auf, das Örtchen zu erkunden. Die Häuser sind alle in so hübschen Farben gestrichen. Von den Einwohnern laufen aber auch viele in bunten, gerne gebatikten Klamotten rum und sind ja sooo laid back. Ansonsten ist aber auch hier das ganze Grün auf der Insel schon traumhaft. Vor allem der Kontrast zwischen der schwarzen Lava, dem blauen Himmel und den grünen Pflanzen kommt auch auf den Fotos ganz gut rüber.
Am nächsten Tag ging es dann endlich in den Nationalpark. Den ganzen Tag Vulkane. HERVORRAGEND! Der erste Weg führte ins Information Centre, wo ich mir erzählen ließ, was ich alles in einen Tag reinpacken könnte, dann lauschte ich dem Ranger-Talk zur Entstehung der Inseln. Nicht, dass ich das nicht alles schon aus der Schule kannte ;) und immerhin haben wir 1999 mit einem Vulkan-Thema den Bundessieg bei Jugend forscht geholt, aber die zusätzlichen Geschichten, die man bei sowas noch serviert bekommt, sind ja i.d.R. auch immer lohnenswert. So erzählte der Kollege zum Beispiel, wie sein Vater bei einem Ausbruch in den 80ern sich nochmal in die schon abgesperrte Zone begab, weil er unbedingt nochmal an seinem Lieblingsspot surfen wollte. Als das Wasser um ihn herum dann doch zu heiß wurde, beugte aber auch er sich. Nach Ende des Ausbruchs befand sich dort, wo vorher seine Lieblingsbucht befand, ein neues Stück Land, geformt durch die Lava.
Als nächstes fuhr ich dann die Chain of Craters Road. Entlang dieser kann man an diversen Stellen anhalten und die mehr oder weniger alten Lavaströme betrachten und erklimmen, einen Blick in die zahlreichen Krater werfen oder Stätten von den Ureinwohnern, wo diese zum Beispiel die Nabelschnuren ihrer frischgeborenen Kinder platzieren - yeahhh - besuchen. Das Ende der Strasse wird natürlich auch durch einen Lavaflow bestimmt. So wie es aktuell auch gerade wieder passiert, war die Lava des Ausbruchs über die Straße gelaufen und hatte die dahinter gelegenen Ortschaften vom Rest der Insel abgeschnitten. In solchen Fällen werden die Leute dann natürlich vorher evakuiert. Jessica, die ich später in Guatemala kennenlernte, hatte über 20 Jahre auf Big Island gelebt und u.a. Freunde, die in dem Gebiet, welches kurz vor der Evakuierung stand. Die waren also kurz davor, ihre Häuser aufgeben zu müssen und natürlich hatten sie keine Versicherung...
Auf dem Rückweg stoppte ich zunächst an einem Trail, von dem aus man am wahrscheinlichsten, wenn überhaupt, den aktuellen Lavafluss sehen würde können. So ein bisschen Rauch von den brennenden Pflanzen konnte ich auch sehen, aber das war es. So unfair! Jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang floss die Lava immer ins Meer so dass man sie zumindest sehen konnte, indem man einen Bootstrip buchte. Jetzt kam man einfach nicht heran, weil der Fluss sich auf Privatgelände befand. Der Trail war trotzdem nett und ein Pärchen, welches dort auch gerade unterwegs war hatte die ganze Zeit auf ein Auge auf mich, weil sie nicht wollten, dass mir alleine zwischen den Kratern was passiert. So ist das nämlich wenn man reist ;)
Den folgenden Stopp am Lavatunnel hätte ich mir auch sparen können. Zum einen war der gar nicht so spektakulär und zum anderen ziemlich bevölkert durch sämtliche Bustouren, weil die paar Meter nun auch wirklich JEDER absolvieren konnte.
Hinterher hatte ich glücklicherweise trotzdem auch noch genug Zeit für den Kilauea Caldera Rim Trail. Der geht um und durch einen alten eingestürzten Krater (Caldera). So schön, so schön, so schön...
Zum Sonnenuntergang fuhr ich zum aktiven Teil des Kilauea rüber und warf einen Blick auf den Krater. Bis vor ein paar Jahren konnte man noch an den Krater rangehen und über eine Aussichtsplattform sogar direkt hineingucken. Aufgrund starker Schwefeldämpfe, die seit einiger Zeit aus dem Krater austreten, ist das aber nicht mehr möglich. Damn! Jetzt kann man nur noch von einem entfernten Aussichtspunkt gucken und Fotos mit Teleobjektiv machen.
Trotzdem, das war sicher einer der besten Tage dieser Reise. Vulkane und ich sind einfach eine gute Kombination. Und ich hatte so lange darauf gewartet, hierher zu kommen. Es ist so faszinierend, wenn man inmitten dessen steht, über das man so viel in der Schule oder auch sonstwo gelernt hat. Und es ist so einfach das alles nachzuvollziehen und zu verstehen, wenn man es sich so vor sich sieht. Gerade hier, kann man ganz klar erkennen, wenn man auf einem Vorsprung steht und zum Meer herunterschaut, wo vermutlich vorher die Insel zu Ende war, und kann kaum glauben, dass wirklich so viel Lava aus den Kratern austritt, dass komplette, riesige Flächen aufgefüllt werden und die Insel um einige Quadratkilometer vergrößern. Aber es ist so und die nächste neue Insel in der Kette ist auch schon am entstehen :)
Nachdem ich abends spät ins Hostel zurückgekehrt bin, fiel ich nur noch kaputt ins Bett und am nächsten Morgen hieß es dann: Kona, ich komme! Das ist der Ort, wo der Ironman stattfindet oder zumindest startet und endet. Dazwischen liegen ja noch ein paar Meter.
Bevor ich mich in Richtung Küste aufmachte, fuhr ich noch zu den Rainbow Falls und Boiling Pots ein bisschen außerhalb von Hilo. Wirklich schön aber auch komplett mit Touristenbussen überlaufen. Also habe ich nur schnell ein paar Bilder gemacht und bin weiter.
Nächstes Ziel war der Punaluu Beach Park, weil hier regelmäßig Schildkröten zu sehen sein sollen. Und tatsächlich, da waren welche. Im Wasser, am Strand liegend und ganz entspannt. Am Strand war extra ein Stück, an dem die Schildkröten rasten, mit einer Schnur abgekordelt und es standen diverse Schilder am Strand, dass man den Tieren nicht zu nahe kommen soll, um sie nicht zu stören. Während ich so meine Bilder machte, kam von hinten eine Frau, welche eine der Schildkröten gesehen hatte, die gerade aus dem Wasser kam. Wahnsinnig entzückt lief sie direkt auf diese zu, stieg über die Kordel und stellte sich direkt neben die Schildkröte um Fotos zu machen. Nach ein paar Minuten machte eine Freundin sie darauf aufmerksam, dass es wohl einen Grund hatte, dass das Strandstück abgesperrt ist und sie kam immerhin peinlich berührt zurück. Manchmal hilft es ja einfach, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen...
Als nächstes ging es weiter Richtung South Point. Ursprünglich war der Plan noch zum Green Sand Beach zu fahren. Die letzten Kilometer dorthin konnte man die Straße nur noch mit 4WDs fahren oder zu Fuß gehen. Da ich aber den Leuten, die einen Transport für $15 organisierten, nicht wirklich traute und ich mein komplettes Gepäck im Kofferraum hatte, beschloss ich, dass der Green Sand Beach nicht nötig ist und fuhr wieder Richtung South Point.
Danach hatte ich dann auch genug von Zwischenstopps und fuhr bis zu meinem Hostel, kurz vor Kona, durch. Dieses war dann auch wieder speziell aber nicht so, wie in Hilo. Das 6er Zimmer war eigentlich ein 12er Zimmer mit einer Trenntür dazwischen und richtig geschlossen waren die Räume auch nicht. Bei dem Klima geht das ja :) Und die üblichen Moskitonetze waren natürlich vorhanden. In der Küche traf ich dann auf einen Neuseeländer, der schon seit zwei Wochen in dem Hostel lebte und sich auf den Ironman vorbereitete. Er war bestimmt schon um die 50 aber ziemlich fit. Er hatte sein Ticket in der Lotterie gewonnen, weil er den allerersten Ironman in Neuseeland und dazu noch 17 weitere gefinished hat... Fällt mir nix zu ein. So beeindruckend ich das einerseits finde, so wenig kann ich verstehen, warum man sich das freiwillig antut. Und dann auch nur zum Spaß! Zu den Qualen hinzu kommt ja noch, dass alleine die Startgebühr auf Hawaii $850 beträgt, hinzu kommt dann noch der Flug, die Unterkunft für drei Wochen und selbst die Fahrräder mit denen die Amateure fahren, kosten ca. $5.000...
Nach dem Einchecken besorgte ich mir noch im Supermarkt was zu Essen. Ach ja. Und auf Hawaii hat man übrigens auch vom Supermarkt-Parkplatz solche Sonnenuntergänge...
Am nächsten Tag fuhr ich dann auf Anraten von Katrin um die Nordspitze der Insel. Direkt nach dem obligatorischen Stopp bei Starbucks und Oprah's Motivation ging es dann die Straße entlang, auf der die Triathleten ihre Rad- und Laufstrecke absolvieren würden.
Schon jetzt trainierten unzählige von ihnen an dieser Stelle. Überall standen Warnschilder, dass man auf die Ironmänner (und -frauen) Acht geben solle. Bei einem kurzen Halt an einem Parkplatz, um Fotos von den Radlern und der Aussicht zu machen, unterhielt ich mich mit drei pausierenden Amerikanern. Alle drei hatten ein breites Grinsen im Gesicht und fanden die Aussicht, bei ca. 35 Grad im Schatten 3,86km zu schwimmen, 180,2km Rad zu fahren und dann noch einen Marathon zu laufen, ganz großartig.
Während ich so die Straße weiterfuhr und den Leuten beim Training zusah, hatte ich eine permanente Gänsehaut. Dieser Spirit und das besondere des Ironman war schon deutlich zu spüren. Wie schade, dass ich Anfang Oktober schon in Guatemala im Klassenzimmer sitzen würde, anstatt den Ironman live mitzuerleben...
Nach der ganzen Aufregung legte ich mich dann erstmal ein Stündchen an den Haipuna Beach zum Entspannen.
Danach ging es weiter, bis an die Nordspitze und dann im Landesinnern wieder zurück nach Kona. Und immer noch fand ich Landschaft und Aussicht großartig. So langsam hatte ich mich dann auch meinen SUV und die zugehörige Klimaanlage gewöhnt und ich genoss es, wieder für mich zu sein. Ein Stück von Freiheit, während ich die Straßen entlang cruiste :)
Zurück in Kona, war ich nachmittags noch mit Geoffrey verabredet. Überraschung - den hatte ich über Tinder kennengelernt. Der Gute war 38, vor vier Monaten nach Hawaii gezogen, weil er in Chicago, wo er zuvor als Broker gearbeitet hatte, gerade eine Scheidung hinter sich gebracht hatte und wollte jetzt im Paradies leben. Wir trafen uns am Makalawena Beach. Der liegt kurz hinterm Flughafen und wird hauptsächlich von Einheimischen besucht. Während wir so am Strand saßen und auf den Sonnenuntergang warteten, erzählte er mir noch, dass er im Moment Vorstellungsgespräche führte. Er wollte in die Solarindustrie einsteigen, schließlich würde das doch auf Hawaii total Sinn machen. Mein Einwand, dass in Deutschland die Solarfirmen nach dem ersten Hype inzwischen teilweise schon wieder insolvent sind, wollte er nicht gelten lassen.
Ansonsten fragte er mich nach einer viertel Stunde, ob ich kiffen würde und nachdem ich es verneinte, ob es mich stören würde, wenn er es täte... Schön, wenn Klischees bestätigt werden. Am Ende rauchte er dann auch doch nicht. Zumindest noch nicht. Eigentlich kiffe er im Moment auch nur ein bißchen mehr, weil er vor kurzem von der Polizei kontrolliert wurde, nachdem er ein paar Bier getrunken hatte. Seit dem hat er eine Vorrichtung in seinem Auto, aufgrund derer er das Auto nur starten kann, nachdem er in ein Gerät gepustet hat und dieses bestätigt, dass er nüchtern ist. Logisch, dass man dann auf's Kiffen ausweicht...
Nach Sonnenuntergang sind wir nach Kona reingefahren, um noch eine Kleinigkeit zu Essen. In der Bar trafen wir einen guten Freund von ihm. Er war deutlich älter und offensichtlich mal ganz gut im Musikgeschäft beschäftigt. Er erzählte mir, dass er schon länger auf der Insel lebt und ab und zu immer noch Bands in die umliegenden Lokale vermittelt. Während wir uns unterhielten, kam ein weiterer Bekannter der beiden mit seiner Freundin vorbei. Er mit gebrochenem Arm und sie mit seiner Gitarre. Er hatte sich den Arm erst vor ein paar Tagen gebrochen, musste aber trotzdem weiterhin in seiner Band spielen, um sich seinen Unterhalt zu verdienen. Auch mit gebrochenem Arm... Ja, ja, Hawaii ist eben nicht für alle ein Paradies... Ach, und kaum saßen wir 10min in der Bar, fragte der Musikmanager Geoffrey, ob er Was zum Rauchen dabei hätte. Als die beiden dann später zu Geoffrey's Auto gingen, um das Zeug zu holen, entschied ich mich mal ganz gepflegt zurück ins Hostel zu fahren und die beiden Freunde ihrem Glück zu überlassen.
Zurück im Hostel unterhielt ich mich noch kurz mit dem Triathlet und mit einem anderen Deutschen. Den hatte ich schon am Vorabend kennengelernt, weil der Checker an meinem deuter-Rucksack und meinem Akzent natürlich sofort gesehen hat, dass ich Deutsche bin... Während ich noch kurz ein wenig im Internet surfte und meine Fotos hoch lud, musste er noch ganz wichtig mit seinem Reisebüro telefonieren und einen Mietwagen buchen, weil er ein paar Tage später nach San Francisco fliegen und zu seinem Arbeitgeber Google fahren würde. Voll sympathisch der Typ...
Am nächsten Morgen ging es dann wieder mit dem gesamten Gepäck ins Auto und zurück gen Hilo, von wo am nächsten Tag mein Flug zurück nach Honolulu gehen würde. Diesmal wählte ich die 200, welche zwischen dem Mauna Loa und Mauna Kea, den beiden größten Vulkanen der Insel verläuft. Am liebsten wäre ich abends noch hoch auf den Mauna Kea und das dortige Planetarium gefahren. Leider kommt auch dort nur mit einem 4WD hoch. Und Touren kosten weit über 100$ pro Person. Aber der Blick zu den Sternen soll atemberaubend sein. Stattdessen fuhr ich dann in eine Nebelwand. Innerhalb von Minuten konnte man nicht mal mehr 20m weit gucken.
Nachmittags in Hilo ging ich nochmal auf den Markt und kaufte ein paar Souvenirs. U.a. einen gebatikten Schal, weil er so schöne Farben hatte, ich noch immer einen Ersatz für meinen in Neuseeland zerstörten brauchte und ich so wenigstens etwas Hippie-Feeling von Hawaii mit nach Hause nehme ;) Den Abend verbrachte ich dann mit Waschen in meinem Hostel, welches direkt ggü. von dem lag, wo ich am Anfang übernachtet hatte, aber 1.000x besser und gemütlicher war. Hier lebten auch ein paar Langzeitbewohner, die permanent auf der Insel leben. Interessante, nette Leute, die schon Einiges in ihrem Leben erlebt hatten. In meinem Zimmer lebte aber auch noch ein Amerikaner, der gerade nach Hawaii gezogen und jetzt auf Jobsuche war... Wie spießig wir doch immer alle sind, dass wir uns i.d.R. immer erst einen Job suchen und dann in die neue Stadt ziehen ;) Er kam jedenfalls aus dem Filmgeschäft und war Regisseur oder ähnliches. Nach drei Minuten drückte er mir seine E-Mail-Adresse in die Hand - für den Fall, dass er mal nach Deutschland kommt, könne ja nicht schaden... Is klar, weil wir uns ja auf den ers ten Blick so sympathisch waren und uns schon soooo ausgiebig unterhalten haben. Vermutlich kam der gute von der Westküste. Dort gibt es noch ein paar mehr von diesen Vögeln, wie ich später feststellen sollte...
An meinem letzten Tag auf Big Island wanderte ich vormittags noch ein wenig durch die Gegend und flog dann mittags wieder gen Honolulu.